Das war der Antifaschistische Stadtrundgang

Wie angekündigt gibt es hier nocheinmal die kleinen Texte zu den 11 Stationen des Stadtrundgangs. Bilder folgen in Kürze.

1. Auftakt Bahnhof
2. Naziprovokation am Haus der Versicherungsgeschichte
3. Verlegung des Denkmals für den antifaschistischen Widerstand
4. jüdisches Leben in Gotha bis 1933
5. Rathaus: NPD in Gotha
6. Trend Army Shop
7. ehem. Synagoge / jüdisches Leben nach 1933
8. Ju.w.e.L. e.V. als Angriffsziel
9. Mohrenstraße Nr.9
10. Märzaufstände in Gotha
11. Ritter Josef von Gadolla

Station 1 – Bahnhof Gotha

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wir begrüßen Euch zum antifaschistischen Stadtrundgang durch Gotha. Im Laufe des Rundgangs wollen wir einen kleinen Überblick über die Geschichte der Stadt Gotha aus antifaschistischer Sicht, und somit aus einem anderen Blick als der vorherrschenden geschichtsrevisionistischen und falsch glorifizierenden Meinung geben. Der Gothaer Volksheld und Nazimörder “Josef Ritter von Gadolla”, soll entglorifiziert werden. Den jüdischen Opfern, der auch in Gotha vorherrschenden deutschen Barbarei, soll gedacht werden, und der nicht tolerierbare Umgang der Stadt Gotha mit den Gedenken an Antifaschist_innen soll anhand der Umsetzung des Denkmals an die antifaschistischen Widerstandskämpfer, belegt werden. Zudem sollen auch noch einige aktuelle Beispiele für Nazigewalt und den dazugehörigen, reichlich vorhandenen, Neonazistrukturen in Gotha belegt werden.

Züge in den Tod Wir stehen hier direkt vor dem Gothaer Hauptbahnhof. Ebenfalls ein Ort schrecklicher Nazigeschichte und ein Ort von dem aus jüdische Einwohner_innen, als auch antifaschistische Widerstandskämpfer_innen, in den Tod geschickt worden sind. Parallel zur so genannten “Reichskristallnacht” 1938, der auch die Gothaer Synagoge zum Opfer fiel, wurden 52 männliche Juden in Haft genommen. 28 von Ihnen wurden auf direktem Wege ins KZ nach Weimar-Buchenwald überführt. Es ist davon auszugehen das diese vom Gothaer Hauptbahnhof aus deportiert wurden.

Alles musz in Flammen stehen Das heutige Aussehen des Hauptbahnhofs verdanken wir den alliierten Befreiungstruppen, welche den Westflügel und den Mittelteil des Bahnhofes, auf ihrer Mission den deutschen Vernichtungswahn zu stoppen, zerstörten. Der Ostflügel und die Eingangshalle sind von den Angriffen leider verschont geblieben. Somit konnten von selbigen aus, auch weiterhin Deportationen in die Vernichtungslager durchgeführt werden, und die deutsche Vernichtungsmaschinerie nahm auch in Gotha weiterhin ihren Lauf. Diese Tatsache sollte jedem Menschen der Gotha besucht oder am Gothaer Bahnhof Halt macht, vor Augen geführt werden. Eben jenige Ignoranz oder gar die Sympathie für derartigen antisemitischen und rassistischen Müll, sind aus dem deutschen Denken noch lange nicht verschwunden, und sorgen auch heutzutage noch für antisemitische Ressentiments. Sei es der Hass auf die Jüdinnen und Juden an sich, die ungerechtfertige Kritik an Israel oder blinder antiamerikanischer Aktionismus.

Station 2 – Haus der Versicherungsgeschichte

Am 9. Dezember 2006 fand hier im “Haus der Versicherungsgeschichte” eine Fachtagung des Mobilen Beratungsteams in Thüringen für Demokratie – gegen Rechtsextremismus unter dem Motto: „Perspektiven 2009 – Thüringen fit gegen Rechtsextremismus“ statt. Etwa 90 Rechtsextreme bezogen vor dem Gebäude Position und versuchten schließlich die Veranstaltung anzugreifen.
Während im Haus gerade eine Veranstaltung zum Thema “Nazis in der Musikszene” lief ahnte niemand was draußen gerade passierte. Erst als der Vortrag vorüber war und sich die Teilnehmer_innen vor der Tür sammelten um Luft zu schnappen standen gegenüber des Gebäudes mehrere Nazis. Da es sich nur um eine handvoll bekannter Gesichter handelte nahm niemand diese Situation als bedrohlich war. Etwa zehn Minuten später standen dort aber nicht nur die beiden NPD Kandidaten Sebastian Reiche und Patrick Wieschke, sondern 10 weitere Nazis der Kameradschaft Ohrdruf. Im Minutentakt sammelten sich mehr Nazis.
Neben Bombenbauer und Volksverhetzer Wieschke standen nun auch thüringenweite Nazigrößen wie der Schläger Marco Zint, Marco Kallenbach und die mittlerweile Aussteiger Patrick Wiedorn und Steven Hartung. Innerhalb von 30 Minuten stieg die Zahl der Nazis auf 90. 2 Stunden vergingen, seit Beginn der Mahnwache. Als gegen 15 Uhr auch noch das Wetter gegen die Nazis vorging, entschlossen sich die Neonazis zum letzten Schritt, der den Tag noch retten konnte. Sie suchten die Flucht nach vorn. Zusammen mit dem Aussteiger Patrick Wiedorn aus Arnstadt ging Wieschke durch die Reihen seiner Kameraden und bereitete sie auf die bevorstehende Provokation vor. Die Situation für die Angreifer_innen war bestens.
Die Polizei stand weit abseits, die Reihen der Antifaschist_innen lichteten sich. Die Nazis waren zum Zeitpunkt des Angriffes in Überzahl. Für Staatsgewalt und Nazigegner_innen kam der Angriff überraschend. Gegen 15.30 Uhr setzten sich die Nazis geschlossen, aber nicht rennend, in Bewegung und versuchten die Straße zu überqueren. Sofort gingen die wenigen umherstehenden Beamten dazwischen und konnten den Nazimob zum Stoppen bringen.
Kurzzeitig standen sich AntifaschistInnen und Neonazis in unmittelbarer Nähe gegenüber. Wenig später kamen mehrere Wagen der Thüringer Bereitschaftspolizei zum Einsatz und drängten die Neonazis zurück. Die Naziveranstaltung wurde aufgelöst und 20 min später war kein Neonazi mehr vor dem Gebäude. Dass es keine Verletzten gab, war wohl nur der fehlenden Entschlossenheit und der Taktik der Nazis geschuldet, die Antifaschist_innen zum ersten Schlag zu provozieren. So blieb es beim Versuch gegen die Nazigegner_innen zu intervenieren und bei einer leider erfolgreichen Provokation.
Von Seiten der Polizei wurde das Vorgehen der Nazis später auf der Podiumsdiskussion heruntergespielt. Die Polizei habe alles unter Kontrolle und der Heimweg der Teilnehmer_innen sei gesichert gewesen. Vom versuchten Angriff war nicht die Rede, auch nicht davon, dass eine Referentin, sowie Teilnehmer_innen nur unter Begleitschutz zum Bahnhof gelangten.

Station 3 – Antifadenkmal

Hier im Rosengarten (zwischen Naturkundemuseum und Schloß) stand das Antifaschistische Denkmal. Damals hatte die Kreisleitung der SED entschieden, auf dem Sockel des abgerissenen Kriegerdenkmals ein Monument zu Ehren der Helden des antifaschistischen Widerstandes zu errichten. Ein Dozent der Gothaer Bauschule entwarf das Denkmal. Es wirkt letztlich wie eine kleine Variante des Buchenwald-Mahnmals. Mit seiner Form und Vertikalbetonung sollte es einer Einheit und Geschlossenheit des antifaschistischen Widerstandes Ausdruck geben, die es in Wirklichkeit so nicht gegeben hatte. Zugleich reflektiert es symbolisch zentralistische Machtstruktur und transportiert die in der DDR gepflegte Mentalität der »Sieger der Geschichte«. Somit ist dieses Denkmal also ein lehrreiches Beispiel der Erinnerungskultur im verschwundenen Staat. Ungeachtet der Instrumentalisierung des Gedenkens dereinst in der DDR zeugt dieses Denkmal aber ebenso von der unbestreitbaren antifaschistische Gesinnung der Gothaer Bürger, die es wollten und die seit 44 Jahren hier der antifaschistischen Widerstandskämpfer gedachten.

Doch genau dieses Denkmal wurde auf Befehl des Oberbürgermeisters Knut Kreuch im Juni 2011 abgebaut. Der Grund dafür ist, wie so oft in Gotha, eine dringend notwendige Umbaumaßnahme, in der blöderweise dieses Denkmal nicht eingeplant wurde. Der Abriss des Denkmals ging sehr schnell, jedoch liesen die Umbauarbeiten erstmal auf sich warten. Nun strahlt der Rosengarten in seiner von antifaschistischen Erinnerungen befreiten Pracht und eigentlich fragt man sich, welcher tatsächlicher Grund hinter diesem Abriss stand. Doch um protestierenden Wutbürgern aus dem Weg zu gehen, versprach Kreuch einen neuen und natürlich viel besseren Standort für dieses Denkmal. Zunächst wurde die Marstall-Kreuzung zwischen Bahnhofstraße und Mozartstraße vorgeschlagen, um die Gemüter zu beruhigen. Doch nun ist es wie es ist. Das „neue“ Denkmal steht nun auf dem Hauptfriedhof, am Ende der Stadt Gotha, genau an der Peripherie.

Wer dieses Denkmal am Schloss abreißt, will wohl auch die Erinnerung an über 100 Antifaschisten tilgen, die im Kreis Gotha ihr Leben im Kampf gegen die Nazibarbarei eingesetzt haben, wie etwa an den Pfarrer Werner Sylten, den Sozialdemokraten Hermann Brill oder den Kommunisten Dr. Theodor Neubauer.

Station 4 – jüdisches Leben in Gotha bis 1933

In Gotha bestand eine jüdische Gemeinde bereits im Mittelalter. Erstmals wird um 1250 Jud Jakob aus Gotha mit seiner Frau Jutta in Köln genannt. Am 14. März 1303, als kurz vor dem Passafest im Zusammenhang mit einem angeblichen Ritualmord in Weißensee eine Judenverfolgung ausbrach, wurden auch in Gotha acht Juden ermordet. Im Februar 1349 wurden im Zusammenhang mit der Verfolgung während der Pestzeit Juden in der Stadt ermordet.

Danach hört man wieder 1379 von jüdischen Einwohnern der Stadt. Die jüdischen Familien lebten im Mittelalter nahe am Markt in der Judengasse (heute “Jüdenstraße”). Im 16. und 17. Jahrhundert wird im Bereich der “Judengasse” , “Judenbad” genannt. 1418 werden 10 Juden (mit Familien) genannt, insgesamt etwa 55 Personen. Damals war auch ein Rabbiner in der Stadt,der 1417 zum Judenmeister ernannt wurde und eine Schule (Jeschiwa)im besitz hatte, die auch von auswärtigen Studenten besucht wurde. Um 1465 wurden die Juden mehr als 300 Jahrhunderte aus der Stadt vertrieben.

1768 kam es zu einer Wiederansiedlung einiger jüdischer Kaufleute mit ihren Familien. Ihnen wurde erlaubt, in einem ihrer Häuser Gottesdienste abzuhalten und einen Friedhof vor dem Siebleber Tor anzulegen. In größerer Zahl war es jedoch erst nach 1848-1855, jüdischen Personen wieder möglich, sich in Gotha niederzulassen und das Bürgerrecht zu erlangen. 1866 konnten sechs jüdischen Familien eine jüdische Gemeinde in der Stadt gründen, die 1870 den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes erhielt. Nicht alle jüdischen Einwohner schlossen sich der Gemeinde an, da es im Herzogtum Coburg-Gotha damals keinen Gemeindezwang gegeben hat. Einrichtungen hatte die jüdische Gemeinde auch: eine Synagoge, eine Religionsschule, ein rituelles Bad und einen Friedhof.

Die Zahl der jüdischen Einwohner entwickelte sich, vor allem durch Zuzug jüdischer Familien aus der weiteren Umgebung, wie folgt:

1864 27 jüdische Einwohner
1875 119 jüdische Einwohner
1879 30 bis 40 Familien
1885 244 jüdische Einwohner
1896 297 jüdische Einwohner
1900 296 jüdische Einwohner

19./20. Jahrhundert Im Ersten Weltkrieg beteiligten sich mehrere Menschen aus der Jüdischen Gemeinde, 9 Mitbürger kamen nicht wieder zurück. In den 1920er-Jahren zählte die Gemeinde etwa 350 bis 400 Mitglieder. Jüdische Gewerbetreibende hatten bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine bedeutende Stellung im wirtschaftlichen Leben der Stadt. Ihnen gehörten zahlreiche Geschäfte (Textilgeschäfte, Kaufhäuser, Schuhgeschäfte), Fabriken (Lederfabrik, Metallwarenfabrik, Porzellanfabrik) und Handlungen (Getreide- und Landesproduktenhandlungen, Viehhandlungen, Fellhandlung, Altwarenhandlungen).
Von 1925 – 1933 Jüdische Vereine in Gotha
– Israelitischen Frauenverein (Zweck und Arbeitsgebiete: Unterstützung Hilfsbedürftiger und Kranker)
– Gemeindeverein (1932 unter Leitung von Louis Neuhaus, Waltershausenstraße)
– Jugendverein
– die Gotha-Loga des Unabhängigen Ordens Bnei Berith (1932 unter Präsidentschaft von Kurt Simson, Friedrichstraße 19)
– Schwesternloge (Wilhelmstraße 1)
– nach 1930 eine Zionistische Ortsgruppe (1932 unter Vorsitz von Dr. Schramm, Herderstraße 8)
Diese unterhielt auch eine private hebräische Sprachschule (1932 unter Leitung des Lehrers Posenmann, in dem Krämpferufer 5, 9 Teilnehmer).

Zur Gothaer Gemeinde gehörten auch die in Waltershausen, Friedrichroda, Ohrdruf, Georgenthal und Bad Tennstedt lebenden jüdischen Personen (1932/33 zusammen 47 Personen). 1932 bildeten den Gemeindevorstand: Willi Herrmann (1. Vors.), S. Israelski (2. Vors., Gartenstraße). Es gab einen Schulausschuss unter Vorsitz von R. Schäler sowie einen Synagogenausschuss unter Vorsitz von Hugo Lewin. Für die Aufgaben der Wohlfahrtspflege gab es inzwischen eine “Örtliche Zentrale für jüdische Wohlfahrtspflege – Wohlfahrtsausschuss der Israelitischen Kultusgemeinde” (Vorsitzender Willi Herrmann, Hohe Straße 11)
1933 wurde eine Höchstzahl jüdischer Einwohner mit 494 Personen erreicht. 1933 gab es sieben jüdische Ärzte und einen Rechtsanwalt.

Im Mittelalter dürfte ein Betsaal oder eine Synagoge vorhanden gewesen sein, von der jedoch nichts näheres bekannt ist. 1903/04 baute die Israelitische Kultusgemeinde in der damaligen Hohenlohestr. 1 (heute Moßlerstraße) in neuromanischem Stil eine neue Synagoge. Architekt war Richard Klepzig aus Gotha. Die Synagoge wurde am 11. Mai 1904 in Anwesenheit von Landrabbiner Dr. Prager aus Kassel feierlich eingeweiht. Es war ein Zentralbau mit eine türmchenbekrönten Kuppel.

Adresse/Standort der Synagoge:
Die Häuser mit den Beträumen nach 1866:
– Eichelsches Haus: Hauptmarkt 36 (Gebäude besteht noch)
– Liebensteinsches Haus: Schwabhäuser Straße 6 (1994 abgebrochen)
– Rudolphsches Haus: Siebleber Straße 8 (heute Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde)
Synagoge von 1904: Hohenlohestraße 1, heute Moßlerstraße beziehungsweise Straße “An der Synagoge” (Gedenkstätte)

Station 5 – NPD in Gotha

Die Strategie mit der die NPD die politische Macht in Deutschland erkämpfen will, wovon sie glücklicherweise weit entfernt ist, beruht auf ihrem so genannten „4-Säulen-Konzept“. Im ersten Teil soll dieses Konzept erläutert werden, und mit den Aktivitäten der NPD in Gotha abgeglichen werden.

Die erste Säule ist der „Kampf um die Parlamente“. Dazu muss angemerkt werden, dass es den Neonazis nach erfolgreichem Einzug in ein Parlament, nicht darum geht konstruktiv Politik zu betreiben. Vielmehr nutzt die NPD die politische Bühne zur Provokation oder um ihre menschenverachtenden Vorstellungen öffentlichkeitswirksam zu platzieren. Weiterhin bietet das Parteienprivileg einen gewissen Schutz vor Strafverfolgung, und stellt eine verlässliche Geldquelle dar. Um im „Kampf um die Parlamente“ erfolgreich zu sein, taugen Springerstiefel und Baseball-Schläger, zumindest momentan, nicht wirklich. Und so inszeniert sich die NPD gerne als „Partei des kleinen Mannes“. Die NPD erweitert ihre klassischen rechten Themen um einen bunten Strauß an populistischen Beliebigkeiten. Bomberjacke und Stiefel werden gegen schickes Jackett und die passenden Anzugschuhe getauscht – und fertig ist der „Wolf im Schafspelz“. Auch in Gotha ist die NPD im Kreistag vertreten. 4,2%, oder 1892 Menschen im Gothaer Stadtgebiet, bzw. knapp 8.000 Menschen im Landkreis Gotha, machten ihr Kreuz bei der NPD. Glücklicherweise ist der Gothaer NPD-Ableger nicht ganz so umtriebig wie in anderen Regionen Thüringens. Die letzten Anträge und Anfragen liegen ein Weilchen zurück, zeigen jedoch wie die erste Säule der NPD-Strategie umgesetzt wird. Ganz klassische rechte Propaganda, wie etwa der Antrag auf „Einführung eines Ausländerrückführungsbeauftrag ten“, bzw. der Kampf gegen Flüchtlingsheime und Geflüchtete, werden um Themen erweitert, bei denen mehr Sympathie-Punkte zu erhaschen sind. Der Erhalt der Bahnlinie Gotha-Ohrdruf, eine gentechnikfreie Zone oder das Aufregen über verschneite Nebenstraßen. Bei emotional aufgeladenen Themen vertritt die NPD die betroffenen Menschen. Allerdings nicht um für und mit diesen Menschen die Probleme zu lösen, sondern um bei der nächsten Wahl ein paar mehr Stimmen zu erhaschen. Und wenn auch auf niedrigem Niveau, so geht die Strategie, zumindest auf kommunaler Ebene, auf. Bei der vergangenen Kommunalwahl in Thüringen konnte die NPD ihre Mandate auf 61 mehr als verdoppeln.

Die zweite Säule ist der „Kampf um die Straße“. Hiermit sind Kundgebungen, Demonstrationen und allgemein öffentliche Auftritte der Partei gemeint. Dies gelingt sowohl der NPD, als auch den parteiunabhängigen Neonazis, in Gotha nicht ganz so gut. Entweder übersteigt die Zahl an Gegendemonstranten die Nazis um ein Vielfaches, etwa bei Wieschkes Wahlkampfauftritt auf dem Neumarkt. Und selbst wenn der Gegenprotest nicht wirklich zustande kommt, wie auf dem Coburger Platz, halten sich der Zulauf und die Öffentlichkeitswirkung stark in Grenzen. Andernorts, etwa in Eisenach oder Kahla, sieht das jedoch anders aus. Die Gründe warum der „Kampf um die Straße“ scheitert oder gelingt sind vielfältig. Zum einen spielen die rechten Kader eine maßgebliche Rolle, gerade auch ihre Akzeptanz bei den so genannten „freien Kameraden“. Zum anderen aber auch die Frage ob öffentliche Nazi-Auftritte hingenommen werden oder eben nicht.

Die dritte Säule ist der „Kampf um die Köpfe“. Zum einen geht es dabei um die Nazi-Köpfe, also interne Schulungen. Orthographie, Grundrechenarten, und wie man seinen Ausländerhass unters Volk bringt ohne den Staatsanwalt aufzuscheuchen. Wichtig für den internen „Kampf um die Köpfe“ sind vor allem die dafür nötigen Schulungs-Einrichtungen. In Eisenach steht der Partei seit kurzem so ein Objekt zur Verfügung. Weiterhin umfasst die dritte Säule die Verbreitung nazistischer Ideen in der Bevölkerung. Dazu bedient sie sich vor allem sozialen Medien und ihren Regionalzeitungen. Der NPD-Kreisverband betreibt eine eigene Homepage, und mittlerweile auch einen facebook-Account. Mit dem „Rennsteigbote“ landet die rechte Propaganda alle 3 bis 4 Monate in zahlreichen Briefkästen des Landkreises. Auch hier rassistische und rechte Propaganda gepaart mit emotionalem Populismus. Inwiefern der „Kampf um die Köpfe“ gelingt oder nicht, ist schwer zu beurteilen. Laut dem Thüringen Monitor gilt etwa jeder 10te Thüringer als „rechtsextrem“, annähernd jeder 2te ist der Ansicht das Land sei in einem gefährlichem Maße überfremdet. Bei der Bewertung rechtsradikaler gesellschaftlicher Tendenzen sollte also nicht bloß das Wahlergebnis der NPD herangezogen werden.

Die vierte Säule ist der „Kampf um den organisierten Willen“. Hinter dieser sperrigen Formulierung verbirgt sich die Bestrebung der NPD das „nationale Lager“ hinter sich zu vereinen. Die Übernahme der direkten Konkurrenzpartei DVU kann die Partei als einen Erfolg auf diesem Feld verbuchen. Ebenso aber auch die Bestrebungen die „freien Kameradschaften“ an die Partei zu binden. Die diversen Rechtsrock-Konzerte in Thüringen, die von der NPD oder deren Nachwuchsorganisation JN veranstaltet werden, dienen neben der Geldbeschaffung auch dem Ziel die subkulturell geprägten Neonazis für die NPD zu begeistern. Oder sie wenigstens als Plakat-Aufhänger im Wahlkampf zu rekrutieren.

Seit 2006 wird der Gothaer Kreisverband von Sebastian Reiche angeführt. Der studierte Medienwissenschaftler kümmert sich mit seiner Marketingfirma „Leitbild Medien“ nebenbei um die Internetpräsenz des Thüringer Landesverbandes der NPD. Aber Sebastian Reiche war nicht immer der adrette und nette Jackett-Nazi von nebenan, als der er sich heute so gerne präsentiert. Anfang der Zweitausender war er einer der führenden Köpfe der militanten Gothaer Neonazi-Szene. Er organisierte zahlreiche Demonstrationen und Veranstaltungen, trat dort als Anmelder oder Redner auf. Sein politischer Werdegang führte unter anderem zu Gruppierungen wie dem „Nationaler Widerstand Gotha“, dem „Aktionsbüro Thüringen“, „Nationales und Soziales Aktionsbündnis Westthüringen“ (NSAW) oder auch dem „Thüringer Heimatschutz“ (THS). Eine enge Verbindung pflegte Reiche zum damaligen stellvertretenden NPD-Landesvorsitzenden Ralf Wohlleben. Mit dem momentan in München als NSU-Unterstützer Angeklagten Wohlleben organisierte Reiche den „Ermittlungsausschuss“ der Thüringer Nazis.

Des Weiteren war Reiche, neben anderen Gothaer Neonazis im Toringi e.V. aktiv. Einer seiner Mitstreiter war etwa Thomas Wagner, dem erst kürzlich aus der U-Haft wegen des Überfalls in Ballstädt entlassenen Frontmann der Naziband S.K.D.. Der Verein betrieb Mitte der 2000er Jahre einen Nazitreffpunkt in der Friemarer Straße. Dort wurden nicht nur regelmäßig Nazikonzerte veranstaltet, vielmehr diente das „Grüne Haus“ als Ausgangspunkt von Angriffen auf alle die für Nazis als „Feinde“ gelten – Punks, Menschen ausländischer Herkunft, Alternative. Glücklicherweise ist es um Reiche in letzter Zeit etwas ruhiger geworden. Die NPD in Gotha scheint geschwächt und beschränkt ihre Aktivitäten auf den Rennsteigboten und ihre Internetauftritte. Bedauerlicherweise ist in einem auf Konkurrenz ausgelegtem Gesellschaftssystem für einen stetigen Nachschub an Menschen gesorgt, die diesen Konkurrenzkampf auch mit harten Bandagen auszutragen bereit sind. Momentan formiert sich im Landkreis Gotha eine neue Kameradschaft, das „Bündnis Zukunft Landkreis Gotha“. Altbekannte Persönlichkeiten wie Marco Zint, ein ehemaliger Bewohner der Hausgemeinschaft Jonastal, nicht nur gut vernetzt mit der Nazi-Maffia vom „Objekt 21“ aus Österreich. Sondern auch gut Freund mit Patrick Wieschke, wie auf der Kundgebung auf dem Neumarkt zu sehen war. Und auch die neue Parteisoldatin im Gothaer Kreisverband, Anne Kathrin Schmidt, hängt fleißig Plakate auf. Sie verfügt ebenfalls über gute Beziehungen zur militanten Gothaer Neonaziszene, etwa dem genannten Marco Zint.

Station 7 – ehemalige Synagoge / jüdisches Leben nach 1933

Jüdische Geschichte Gotha ab 1933

Zu Beginn der Machtergreifung Hitlers 1933, lebten in Gotha noch 264 jüdische Einwohner. Im Jahr 1933 erließ die Gothaer Stadt- und Kreisleitung der NSDAP, dass der Hitlergruß, bzw. damals “deutscher Gruß”, genannt von den Juden zu unterlassen sei. Die deutsche Bevölkerung sollte Jüdinnen und Juden die den Gruß nicht anwenden, daher unbehelligt lassen. Ebenfalls im Jahr 1933 wurde es Parteigenossen der NSDAP verboten sich von jüdischen Ärzten behandeln zu lassen: “Ebenso wie es den Parteigenossen untersagt ist, bei Juden zu kaufen, ist es auch nicht gestattet, dass sie sich in Behandlung jüdischer Ärzte begeben, da dies parteischädigend ist.” In der Zeitung “Gothaer Beobachter”(ein Ableger der “Thüringer Gauzeitung”, welche auch eng mit dem Antisemiten- Blatt “Der Stürmer” zusammenarbeitete) erschien im Jahr 1935, im zeitungseigenen Beilagenblatt “Judenspiegel”, ein Artikel mit der Überschrift “Beim Juden kaufen ist unmoralisch.” In selbigen werden alle jüdischen Geschäfte aufgelistet, da es scheinbar einige Nazikameraden immer noch nicht lassen konnten ihre Einkäufe in jüdischen Geschäften zu tätigen. Aufgrund der Ausrede der Konsumierenden, sie wüssten nicht das es sich um so genannte “Judengeschäfte” handelte, erschien eben jener Artikel samt der dazugehörigen Adressen der Geschäfte. “Volksgenossen”, hätten “jeden Kontakt mit ihnen den Geschäften abzubrechen”. Im Oktober 1938, kurz vor den Novemberpogromen, gab es in Gotha noch 13 jüdische Geschäfte. Bis dahin forderte die deutsche NS- Presse wiederholt auf auch diese Geschäfte zu meiden, denn sie waren der Meinung das “immer noch nicht alle jüdischen Geschäfte klar erkenntlich gemacht wurden.”

9./10. November 1938

Die Novemberpogrome, bzw. die so genannte “Reichspogromnacht”, verschonte auch die Gothaer Synagoge bzw. die Gothaer Jüdinnen und Juden nicht. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 steckten die Nazis, mit Rückendeckung der deutschen Bevölkerung, landesweit jüdische Glaubenshäuser, Geschäfte und Wohnungen in Brand. Auslöser war bekanntlich, der “hinterhältige Judenüberfall auf einen deutschen Diplomaten in Paris”, wie der “Gothaer Beobachter” berichtete. Nachdem sich im Mitternacht auf dem Gothaer Markt schnell ein spontaner Aufzug, von deutschen jeglicher couleur, bildete, marschierte dieser in Richtung Synagoge um “sich der Empörung Luft zu machen”. Die Deutschen zogen schnell weiter in die Hohenlohestraße, in welcher die Synagoge beheimatet war. Schnell stand diese in Brand, und die Kuppel sowie das gesamte Mobiliar standen in Flammen. Die Feuerwehr sorgte lediglich dafür das sich das Feuer nicht auf die umstehenden Gebäude ausbreitete, und gesellte sich somit zur jubelnden Menschenmenge. Im direkten Anschluss dieser Pogrome wurden 52 Jüdinnen und Juden aus Gotha inhaftiert und 28 von Ihnen direkt ins KZ Buchenwald deportiert. Im Frühjahr 1939 wurden die Trümmer der Synagoge, welche bis dahin brach lagen abgetragen. Dies geschah natürlich auf Kosten der jüdischen Gemeinde von Gotha, schließlich hatten sich die “Juden die Folgen selbst zuzuschreiben” (“Gothaer Beobachter”). Im Jahr 1939 lebten noch 80 jüdische Einwohner in Gotha. 1940 waren es noch 30, und in den 2 darauf folgenden Jahren wurden die letzten noch in Gotha lebenden Jüdinnen und Juden deportiert, so dass es in den letzten Jahren des zweiten Weltkriegs, keine offiziellen jüdischen Einwohner mehr in Gotha gab. Nach dem Krieg kehrte lediglich eine überlebende Jüdin aus dem KZ Theresienstadt, nach Gotha zurück.

Umgang des Standortes der ehemaligen Synagoge seitens der Stadt Gotha oder deutsche Gedenkpolitik

Im Jahr 1991 wurde das Teilstück der “Lenaustraße”, also die Verbindung zwischen “Moßler-” und “Gartenstraße”, umbenannt, und trägt seit dem den Namen “An der Synagoge”. Anfang der 1980er Jahre wurde die “Trauerhalle”, welche sich am Standort befand, abgerissen und erst 1988 durch einen Gedenkstein ersetzt. Dieser ist eine Plastik des Künstlers Hans Klein aus Gotha. Sie ist in “Form von zwei abgewinkelten Stahlprofilen, die KZ-Zaunpfähle oder das zerbrochene Fenster eines Gotteshauses symbolisieren sollen.” (http://www.alemannia-judaica.de) Im Jahr 2013 gab es seitens der Stadt Gotha Pläne am früheren Standort der Synagoge ein Einkaufscenter zu bauen. Am Standpunkt des aktuellen Gedenkmahls, soll dann wohl eine Laderampe sein. Immerhin ist die Shoa nun schon über 70 Jahre her, und die meisten Überlebenden sind auch schon tot. So läuft das eben in der deutschen Gedenkpolitik. Da werden 6 Millionen unschuldige Menschen gerne mal vergessen, Hauptsache die deutsche Wirtschaft wird weiter angekurbelt. Lediglich eine kleine Gruppe Menschen hatte es sich zum Ziel gemacht die Gedenkstätte zu erhalten, und versammelte sich seit Mitte November 2013, alle 2 Wochen am Standort der ehemaligen Synagoge. Zudem wurden in Gotha inzwischen über 40 Stolpersteine, an den ehemaligen Wohnorten der jüdischen Opfer, verlegt.

Schändung des jüdischen Friedhofs

Am 17. November 2008 wurde der jüdische Friedhof in der Eisenacher Straße geschändet. Im Laufe der Nacht wurde ein abgetrennter Schweinekopf in das Tor des Friedhofs, welches mit einem Davidsstern verziert ist, gesteckt und daneben ein Plakat mit der Aufschrift “6 Millionen Lüge” aufgehängt. Zudem wurde der Eingangsbereich und das Tor mit einer blutähnlichen Flüssigkeit übergossen. Verantwortlich hierfür war ein 47 jähriger Mann aus Gotha, der in der selben Nacht mit einem Komplizen auch einen jüdischen Friedhof in Erfurt schändete. Im Juni 2010 wurde er, wegen Volksverhetzung und Störung der Totenruhe, zu 60 Tagessätzen á 10 Euro, sowie zu 2 Jahren auf Bewährung verurteilt. An diesem Beispiel ist deutlich zu erkennen das Antisemitismus und Antizionismus immer noch Teil des deutschen Denkens sind, und wohl leider auch immer bleiben werden. Anders sind auch die antiisraelischen und antisemitischen Medienberichterstattungen im Nahostkonflikt und die vorherrschende deutsche negative “Volksmeinung” zu Israel, samt seinem Existenz- und Selbstverteidigungsrecht, und dem dauerhaft negativen Bezug auf die Alliierten Befreiungstruppen, allen vor ran den USA, nicht zu erklären.

Station 8 – Angriffsziel Ju.w.e.L. e.V.

Im Jahr 2009 gründeten wir unser kleines Projekt hier in der Hersdorfstrasse. Nicht einmal nach einem Jahr unseres Bestehens, gab es dann auch am 28.11.2009 und am 29.11.2009 die ersten Angriffe auf unser Projekt.

In den frühen Morgenstunden des 28.11.2009, wurde eine Scheibe mit einem Backstein eingeworfen. Erschreckend hierbei ist, dass sich 3 Personen zur Tatzeit in den Räumlichkeiten befanden und durch das nach außen scheinende Licht klar war, dass sich Menschen in den Räumen befinden. Ein Angreifer wurde noch gesehen, aber konnte leider nicht gestellt werden. Einen Tag später, am 29.11. gegen 6:30 Uhr wurden wir erneut attackiert. Diesmal befand sich zum Glück niemand in den Räumlichkeiten, in denen dieses Mal 3 weitere Scheiben eingeworfen wurden. Dabei konnten 3 Angreifer gesichtet und dem rechten Spektrum zugewiesen werden. Nach den Angriffen blieb es dann weitestgehend ruhig, es kam nur zu kleineren Provokationen mit Hitlergrüßen, total dumpfsinnigen Parolen oder Vollsuffaktionen die erfolgreich niedergeschlagen werden konnten.

Dann aber in der Nacht vom 26. zum 27. November 2012 als es ca. drei Uhr vor unserem Haus zu einem großen Knall kam, der uns, und wohl auch allen NachbarInnen wundervolle Laune bescherte. Unsere “kreativen” und “mutigen” Nazis bescherten ihnen eine vorsilvesterliche Freude in dem sie mit selbstgebauten Kugelbomben vor dem Haus experimentierten. Als sich kurz darauf die BewohnerInnen des Hauses umsahen, waren die Nazis bereits im Nebel der Kugelbomben geflüchtet, und hinterließen uns nur eine Videobotschaft, die einen Tag später bei YouTube veröffentlicht wurde. Im Video zu sehen ist die Explosion mit dem Vorwort “Nazialarm”, hinterlegt wurde das Video mit dem Kinderlied “Lalelu”, und dem einfallslosen Lied “Ey ihr Zecken eure Eltern sind Geschwister”, von der Band “Lunikoff-Verschwörung”, rund um den Ex-Landser Sänger Michael Regner. Außerdem wussten die Nazis anscheinend auch nicht wie die Uhr funktioniert, da im Video 4.30Uhr steht und die eigentliche Uhrzeit tatsächlich gegen 3:00 war. Hochgeladen wurde das Video von einem Mitglied der heute aufgelösten“Hausgemeinschaft Jonastal“ (HJ) . Die HJ kaufte sich Anfang Dezember 2011 die ehemalige Gaststätte “Drei Linden” in Crawinkel.

Die beiden führenden Köpfe der HJ sind Thomas Wagner und Marco Zint, aktiv seit den 90iger Jahren in der militanten Neonaziszene. Beide sind bekannt durch Organisation von Wehrsportlagern, Kontakte zu verbotenen Organisationen wie Blood&Honour oder der HNG (Hilfsgemeinschaft für nationale Gefangene), Vertrieb und Produktion von Nazimusik, Brandstiftung, Körperverletzung sowie Besitz von scharfen Schusswaffen die auch mal “aus Versehen” gegen die eigenen Kameraden eingesetzt werden, usw. Den Montag darauf um die Mittagszeit waren die Cops und die Spurensicherungen vor Ort um Indizien zu sammeln. Ab Dienstag konnte der Eindruck entstehen das in Gotha ein erhöhtes Polizeiaufgebot abgestellt ist. Im 10 Minuten Takt fuhren die Streifen am Haus vorbei und an jeder ecke gab es Personalienfeststellungen.

Ab Mittwoch war dann auch klar das eine Hundertschaft BereitschaftspolizistInnen in Gotha aufgestellt worden war. Am besagten Mittwoch Gegen 17:30 versammelten sich einige AntifaschistInnen in der Innenstadt von Gotha zum Flyer zu verteilen um auf den Vorfall aufmerksam zu machen. Nach ein paar Metern kamen dann auch schon die örtlichen sowie die extra bereitgestellten Cops angefahren. Das Flyerverteilen wurde zum Spießroutenlauf. Etwa alle 100 Meter wurden die Ausweise verlangt weil die eine Streife nicht wusste was die andere tat. Das Fazit aus diesem Tag ist: die Bullen haben den flyerverteilenden Menschen zu mehr Aufmerksamkeit verholfen, die PassantInnen schüttelten mit dem Kopf wegen diesem repressiven Einsatz und die Flyer waren doch alle verteilt. Vielen dank noch mal an dieser Stelle an die Polizei.

Ein Jahr lang blieb es dann ruhig vor unserem Haus, bis zum 30.11.2013 als unser Projekt um ca. 13.00Uhr von einer ca. 30-köpfigen Nazihooligan Gruppe aus Gera angegriffen wurde. Diese Gruppe von Nazis wurde eine halbe Stunde zuvor schon in der Gothaer Innenstadt gesichtet. Hierbei ist schon stark aufgefallen das diese Gruppe, schon gut angetrunken, Fan-Parolen, aber auch Nazi-Parolen brüllte, und die Innenstadt mit Nazipropaganda beklebte. Dann 13:00 Uhr kamen sie auf unser Haus zugelaufen. Diese Gruppe war auf dem Weg zum Fußballspiel im Stadion in Gotha, und wurden deswegen von einer handvoll Cops begleitet. Die besagten Cops waren sichtlich überrascht, als einige der Nazis anfingen, Zaunslatten heraus zu reißen und auf das Haus zu werfen. Aus dem Haus heraus wurde dieser Angriff zum Glück erfolgreich abgewehrt. Diese Nazis wurden dann von den Cops ca. eine Stunde hinterm Haus festgehalten, jedoch ohne Festnahmen oder ähnliches.

Im Anschluss entfernten sich einige Nazis von der Gruppe und griffen ein Wohnhaus 50m von den Cops entfernt an. Dort schafften sie es in den Hausflur. Verletzte gab es zum Glück keine- weder im attackierten Wohnhaus, und auch nicht im Juwel. Anschließend durften die Nazis ihr Fußballspiel trotz allem noch besuchen. Nach dem Spiel versammelten sich ca. 60 Nazis auf dem 5 min. entfernten REWE Parkplatz in der Oststrasse. Was sie wollten war allen klar: noch einmal einen Angriff wagen. Zum Glück ist dies nicht passiert und die Nazis fuhren mit dem Zügen wieder nach Hause. Verletzt wurde von uns zum Glück keine_r.

Dies sind nur wenige Beispiel von Naziangriffen in Gotha. Eine Stadt mit einer langen Tradition Naziaktivitäten zu verschleiern und Opfer zu Tätern zu machen. Wir lassen uns aber von den Umständen nicht klein machen. Wir werden weiter unserer Arbeit als emanzipiertes Projekt fortsetzen und ein Raum für alternatives Leben bleiben.

Für eine befreite Gesellschaft.

Station 9 – Mohrenstr. Nr. 9

Wir befinden uns nun in der Mohrenstraße, welche in vielerlei Hinsicht interessant ist. Zum einen befand sich auf der anderen Straßenseite das Volkshaus zum Mohren. Einige Überreste sind noch vorhanden und sollen wahrscheinlich zu einem Museum umgebaut werden. Andererseits stehen wir hier vor 3 von über 40 Stolpersteinen in Gotha.

Das Volkshaus zum Mohren Um 1912 kaufte auf Initiative Wilhelm Bocks, führender Funktionär der SAP und Präsident der Internationalen Gewerksgenossenschaft, das alte Gasthaus „Zum Mohren“, das in „Volkshaus zum Mohren“ umbenannt wurde. Das riesige Gebäude mit großem Innenhof war fortan zentraler Versammlungsort der Arbeiterbewegung. Hier traf sich das sozialdemokratische Milieu, das aus einem Geflecht von Partei, Gewerkschaften und sozialdemokratisch beeinflussten Vereinen bestand. Dieser Kreis traf sich zu den unterschiedlichsten politischen und kulturellen Veranstaltungen. Wesentlich war auch die Existenz des von Bock gegründeten „Gothaischen Volksblatt“, das in einer eigenen Druckerei entstand und bis 1933 erschien. Neben Wilhelm Bock, welcher Reichstagsabgeordneter der SPD war und außerdem Mitglied des Landtags Sachsen-Coburg-Gotha, kam auch der Tischler Otto Geithner 1910 nach Gotha. Er arbeitete im Parteiverlag der SPD und war ab 1910 hauptamtlicher Redakteur und später Chefredakteur des Gothaer Volksblatt. Geithner zählte zum linken Flügel der SPD und galt als führender Nachwuchspolitiker in Gotha.

Am 2. Mai 1933 besetzten SA-Truppen die Gewerkschaftsbüros im Volkshaus zum Mohren, beschlagnahmten Akten und Mobiliar. Das Volkshaus ging nach dem Verbot freier Gewerkschaften in den Besitz der DAF über. Im Sommer 1934 erfolgte die Verhaftung Otto Geithners und die Verurteilung zu 3 Jahren Zuchthaus. Nach dem Ende der Haft überstellte Ihn die Gestapo in das KZ Buchenwald, wo er im April 1945 die Befreiung erleben konnte. Geithner starb am 31. Juli 1948 an den Folgen der Haft. An ihn erinnert seit 1977 die Otto-Geithner-Straße. 2007 stand das Volkshaus zum Mohren zur Versteigerung, da es sonst abgerissen werden sollte. Die NPD Thüringen wollte an dieser Versteigerung teilnehmen um es zu „retten“. Hätte die NPD das „Gasthaus zum Mohren“ ersteigert, wäre nach umfassenden Sanierungsarbeiten die Landesgeschäftsstelle und das Landesschulungszentrum der Thüringer NPD dort eingezogen. Ein Kreditgeber hatte bereits seine Zusage für die Übernahme der Sanierungskosten erteilt. Anschließend kaufte es doch die Stadt Gotha und ließ es aufgrund zu hoher Sanierungskosten abreisen.

Stolpersteine in Gotha

Hier in der Mohrenstraße 9 wohnte das jüdische Ehepaar Markus und Scheindel Prinz mit der 1928 geborenen Tochter Sophie. Gleich nach der Machtergreifung der Nazis emigrierte die Familie – allerdings nur bis Frankreich. Dort wurde sie 1942 im französischen Durchgangslager Drancy interniert und noch im gleichen Jahr nach Auschwitz deportiert. Markus, Scheindel und Sophie Prinz wurden in der Gaskammer ermordet.

Der letzte selbstgewählte Wohnort von der Familie Prinz wurde mit Stolpersteinen versehen. Diese Steine erinnern an die Vernichtung der Juden, Sinti und Roma, der politisch Verfolgten, Homosexuellen, Zeugen Jehovas und anderer Opfer des Nationalsozialismus. Dazu werden mit Messingblech verkleidete Pflastersteine, auf denen biografische Daten der Opfer eingraviert sind, vor dem Wohnhaus der Betroffenen verlegt. Das Gothaer Aktionsbündnis gegen rechte Gewalt organisierte die Stolpersteinverlegung seit 2006 schon zum 9. Mal. In Gotha wurden bereits 58 Stolpersteine verlegt.

Einer der zuletzt verlegten Steine in Gotha erinnert in der Oststraße 40 an den Kommunisten und antifaschistischen Widerstandskämpfer Otto Geithner (1876-1948), der 1935 bis 1938 in den Zuchthäusern Gräfentonna, Ichtershausen und Halle sowie von 1938 bis 1945 im KZ Buchenwald inhaftiert war.

Station 10 – Märzaufstände

Wir stehen hier vor der Post in Gotha. Einem Ort, an dem am 17. März 1920 Menschen durch die MG-Salven von Regierungstruppen niedergeschossen wurden. Die Toten und Verwundeten vor der Post gaben das Fanal für die Kämpfer, die ihre Waffen aus den Verstecken holten und Reichswehr, Sicherheitspolizei und die Gothaer „Sturmkompanie“ angriffen, welche die Stadt seit Tagen besetzt hielten. Zunächst erfolgte der Angriff der linken Arbeiter in einer spontanen Aktion, die scheiterte. Doch seit dem 16. März war der Truppenübungsplatz Ohrdruf in den Händen der Revolutionäre, die dort die „Thüringische Volkswehr“ formierten.

In den frühen Morgenstunden des 18. März traten die Einheiten der „Thüringischen Volkswehr“ mit ihrer geballten Macht zum Angriff auf Gotha an. Zwei Tage und eine Nacht dauerten die erbitterten Straßen- und Häuserkämpfe um die Stadt, in denen auch Geschütze und Panzerwagen zum Einsatz kamen. Schließlich siegten die Revolutionäre über Militär und Polizei – doch 120 Aktivisten fielen im Kampf. Doch nicht als Opfer, sondern als bewusste Kämpfer für ihre Sache. Wer waren diese Aktivisten? Sie lebten unter armseligen Verhältnissen in einer durch Klassenunterdrückung und Entrechtung geprägten gesellschaftlichen Realität. Wer Arbeiter war, blieb Arbeiter – es gab kein Entrinnen aus dieser Realität – einzig, es gelang die kapitalistische Klassengesellschaft zu überwinden.

Als Mittel galt der Klassenkampf – der Kampf um die Menschenrechte. In Deutschland geführt von der Sozialdemokratie, welche inhaltlich in marxistischen Vorstellungen verwurzelt war. Doch mit Beginn des I. Weltkrieges 1914 verriet die SPD ihren antimilitaristischen Standpunkt. Die Wahrer der alten sozialdemokratischen Werte sammelten sich in der USPD, andere, weitaus radikalere Vorstellungen orientierten sich am bolschewistischen Revolutionsmodel, mit dem Lenin im November 1917 in Russland die Macht übernahm.

Mit dem Sturz der Monarchie in Deutschland im November 1918 endete endlich der I. Weltkrieg und die Zeit des Sozialismus schien für viele gekommen.

Doch nun stand die Idee einer bürgerlichen, parlamentarischen Demokratie dem Modell einer Räterepublik entgegen. Das eine bedeutete, weiterhin den Kapitalismus zu erhalten, das andere versprach, die Klassenherrschaft endgültig zu beseitigen. Die Spannungen eskalierten zwischen 1918 – 1921 in einem nicht erklärten Bürgerkrieg, der unter der politischen Verantwortung der SPD gegen die revolutionären Bewegungen geführt wurde. Ein Klassenkrieg, der weder große Schlachtfelder kannte noch heroische Episoden. Er glich mehr einem ständig glimmenden Schwelbrand, von einem Ort zum anderen, der nur als lokale Geschichte vermerkt wurde, nicht als Großereignis.

Seinen Höhepunkt fand diese Auseinandersetzung mit dem Ende des Kapp-Putsches 1920. Zu diesem Zeitpunkt glaubte die radikale Linke, die Räterepublik noch einmal auf die politische Tagesordnung setzen zu können. Die Lage steigerte sich an verschiedenen Orten zum bewaffneten Aufstand. Im entmilitarisierten Ruhrgebiet gelang es den spontan entstehenden Einheiten einer Roten Ruhrarmee, für kurze Zeit das Heft in die Hand zu bekommen, bis sie von Reichswehrtruppen blutig niedergeschlagen wurden. Anders verliefen die Kämpfe in Halle und Gotha. Hier siegten die Revolutionäre und zogen sich militärisch ungeschlagen zurück. Freilich hatten sie die Revolution nicht durchkämpfen können. Doch was blieb, war das rote Herz Deutschlands: Mitteldeutschland und Thüringen. Hier waren Hochburgen der KPD und des antifaschistischen Widerstandes. Wir sind hier heute zusammen gekommen, um an die Kämpferinnen und Kämpfer jener Zeit zu erinnern. Sie starben für ihre Sache – und diese Sache hat durchaus mit dem Hier und Heute zu tun.

Ganz einfach deshalb, weil die Geschichte der Menschheit die Geschichte des Kampfes um politische und soziale Gleichberechtigung ist. Mag der Weg dahin bisweilen auch von Irrtümern und Fehlern begleitet sein – im Kern geht es immer um diesen Prozess. Was bedeutet, dass Politik ein Kampf um Macht ist – weshalb sich antifaschistische Politik inhaltlich an einem Kampf gegen „die Macht“ an sich orientieren muss, wenn das Ziel einer freien Gesellschaft erreicht werden soll.

Und für dieses Ziel sind jene, die hier bestattet sind, letztendlich gefallen. Ihnen gilt unser Respekt, denn sie sind für eine Zukunft gestorben, für die wir auch heute noch kämpfen. In diesem Sinne: Der Kampf geht weiter und Keine Macht für niemand!

Station 11 – Kritik am vermeintlichen „Retter von Gotha“

Der Mittlerweile als „Held“ oder „Retter“ von Gotha rehabilitierte ehemalige Kampfkommandant von Gotha genießt postum einiges an Ansehen. Eine Straße ist nach ihm benannt, und eine Stehle vor dem Rathaus ist ihm gewidmet. Der aus einer österreichischen Adelsfamilie stammende Berufssoldat und 1. Weltkriegsveteranen leistete am 14. März 1938 den Fahneneid auf Hitler. Als zuverlässiges Zahnrädchen des NS-Regimes mauserte er sich immerhin zum Oberstleutnant. Und so war seine Aufgabe als Standortältester ab Februar 1945 die Stadt Gotha bedingungslos zu verteidigen. Im letzten Kriegsjahr gab es mehrere Luftangriffe von britischen und amerikanischen Fliegern auf Gotha. Als sich die Front im März 45 näherte zog die Wehrmacht aus Gotha ab. Zurück blieben der Kampfkommandant Gadolla und seine Soldaten, einige SS-Schergen und der Volkssturm. Anfang April erreichten amerikanische Panzerverbände die Stadt und begannen mit dem Beschuss. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die Legende von Gadolla. Kurz zusammengefasst in etwa so: Gadolla und das Verteidigungs-Komitee der Stadt beschließen auf Grund der militärisch aussichtslosen Lage die Stadt an die Amerikaner zu übergeben. Weiße Fahnen werden gehisst, und Gadolla fährt mit weißer Flagge in Richtung der amerikanischen Truppen. Herumstreunende SS-Angehörige greifen das Auto mit der fehlerhaften Beflaggung auf – nur weiß, ohne rote Umrandung und Hakenkreuz – da muss was faul sein. Gadolla wird verhaftet und nach Weimar überführt. Das dortige Standgericht verurteilte ihn zum Tode. Nachdem der Weimarer Obernazi Günther von Drebber das Urteil bestätigte wurde Gadolla am 5. April 1945 hingerichtet. Nur 7 Tage später wurde Weimar kampflos an die Amerikaner übergeben. Gerichteter und Henker sind sich hier nur allzu ähnlich. Sie teilen nicht nur das „blaue“ Blut, beide hielten so lange am NS-System fest, bis die eigene Existenz bedroht war. Sicherlich wollte Gadolla Gotha retten, aber genauso auch sich selbst. Ob Gadolla sich anders verhalten hätte als Drebber, wenn „der Feind“ nicht von Westen gekommen wäre, sondern die Russen Günther von Drebber in seine Arme getrieben hätten spielt letztlich keine Rolle.

Ohne Menschen wie Gadolla und all die anderen, die an der Heimatfront den Verwaltungsapparat am Laufen hielten, wären die Vernichtungstruppen Deutschlands, das millionenfache industrielle Töten von Menschen, und die Verwüstung großer Teile Europas, schlicht nicht möglich gewesen. Ob die Motive dafür in „soldatischer Eid-Treue“, der Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern, oder in echter nationalsozialistischer Überzeugung liegen. Heldenstatus hat davon bestimmt nichts verdient.

Der Legende nach waren es die von Gadolla, vor seiner letzten Fahrt, gehissten weißen Fahnen die es der Stadt Gotha ersparten ins Visier der britischen Bomber-Verbände zu geraten. Das Schloss, das historische Rathaus und die Altstadt, und nicht zuletzt die Bewohner_innen von Gotha überstanden so dass Ende des zweiten Weltkrieges.

Wenn mensch nun davon absieht das Gadolla bis zuletzt Nazi war, hat das dann schon etwas Heroisches. Dazu sein angeblich letzter Satz: „Damit Gotha leben kann, muss ich sterben.“ Ähnlich wie bei Stauffenberg scheinen die letzten Tage die Jahrelange Treue zum Hakenkreuz komplett aufzuheben, und diese Personen zu historischen Lichtgestalten aufzuwerten. Nur was bedeutet dieser Fokus auf Gadolla und Gotha? Die Bomber drehten ja nicht um. Am Morgen des 4. April 1945 überflogen die Briten Gotha, und nahmen Kurs auf Nordhausen. Etwa 8.800 Menschen starben bei der Bombardierung und weite Teile der Innenstadt wurden zerstört. Wo ist da das „Heldenhafte“? Verschont uns, nehmt die Nordhäuser? Tausendfaches Leid abwenden, um es anderen aufzubürden?

Letztlich ist nicht nur die „moralische“ Bewertung von Gadolla äußerst dünn. Auch scheint der Verlauf der letzten Tage ein wenig anders gewesen zu sein. Der Angriffsbefehl für die drei Bombergruppen galt von Vornherein der Stadt Nordhausen, bzw. der Raketenproduktion und der Kaserne. Bereits vor dem Überflug der Bomber hatten die Amerikaner die Arnoldi-Schule und die damalige Handelsschule in der Eisenacher-Straße besetzt. Eine Bombardierung hätte also auch die amerikanischen Bodentruppen gefährdet. Wer sich für diesen Teil der Geschichte Gothas interessiert, dem empfehle ich das Buch von Helga Raschke „Josef Ritter von Gadolla und die letzten Kriegstage in Gotha“.

Letztlich ist die Legende von Gadolla vor allem eben eines: Eine Legende. Sicherlich sollte niemand hingerichtet werden, weil er Deutschland-Fahnen gegen weiße Fahnen austauscht. Aber dass alleine macht noch lange keinen Helden.