Tarnen, Täuschen, Tricksen Oder: Immer wieder Friedrichroda

musikDer Anlass mag vielleicht nichtig erscheinen. Es gäbe sicherlich „wichtigeres“ über das mensch berichten könnte. Nichts desto trotz wollen wir ein kleines Ereignis in Friedrichroda zum Anlass nehmen um auch auf eine der Schwächen des „bürgerlichen“ Umgangs mit Neonazis hinzuweisen. Nachdem die Info über die Zusammenarbeit der „Filmbühne Friedrichroda & Cinema Dance Club“ mit einem Electro-Veranstalter „Neumi fsn“ offenbar bis zur Filmbühne selbst durchgedrungen ist, änderte dieser seinen Facebook-Namen umgehend in „Neumi usw“.
Dieser eigentlich recht unspektakuläre Vorgang lässt jedoch auch einige Schlüsse zu. Als erstes: Das Motto „bunt statt braun“, Schlachtruf vieler Bürgerinitiativen gegen rechts, zeigt hier die engen Grenzen die dem Standort-Antifaschismus notwendigerweise innewohnen. Hier wurde (im übertragenen Sinne) etwas Braunes bunt angemalt, Ostern steht schließlich vor der Tür, und schon ist alles gut. Um dem Vorwurf des inflationären Gebrauchs der „Nazi-Keule“ aus dem Weg zu gehen eine kleine Erläuterung zu dem Kürzel „fsn“, die Buchstaben stehen für „frei, sozial, national“. Diese Parole lässt sich auf so gut wie jeder NPD-Demo hören, militante Rechte nutzen sie ganz gerne wenn sie an alternativen Treffpunkten vorbeiziehen, letztlich ist sie wohl eine Umgehung des §86a. Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die NSDAP ist so eine verfassungswidrige Organisation, die waren nationalsozialistisch. Die NPD ist (noch) keine verfassungswidrige Organisation und die sind eben sozial und national, nicht zu verwechseln mit nationalsozialistisch. So weiß zwar jede und jeder was gemeint ist, aber es interessiert den Staatsanwalt nicht. Wir würden jemanden der diesen Slogan gebraucht, ob nun auf der Straße oder bei facebook, wohl als Neonazi bezeichnen. Auf jeden Fall ist er damit ein Anhänger einer völkisch-nationalen Weltanschauung. Die Namensänderung lässt den Schluss zu das bei der Filmbühne ja durchaus ein rudimentäres Problembewusstsein vorhanden ist. Fsn = rechtsradikal = scheiß Presse. Die Reaktion läuft dann nach dem Friedrichrodaer Modell. Oberstes Ziel: Image-Schaden muss vermieden werden. Und wenn ein Rechtsradikaler als solcher nicht mehr erkennbar ist (zumindest auf den ersten Blick), dann ist ein „Weiter so“ auch nicht imageschädlich. An dieser Stelle erreichen wir auch den Ereignishorizont der Bürgerinitiativen – sind bunte Neonazis braun oder bunt? Wenn nicht durch das „Äußere“ unterscheidbar, verhindern die „inneren“ Gemeinsamkeiten schlichtweg die nötige Distanz für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Neonazis. Um das kurz zu erläutern: die Angst vor Überfremdung der Mehrheitsgesellschaft und die gewalttätigen Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte durch Neonazis sind sicherlich nur schwerlich miteinander zu vergleichen. Gewiss sind das zwei Dinge die mensch auch nicht gleichsetzen kann. Notwendige Voraussetzung für beides ist jedoch Rassismus. Und wenn das oftmals rein äußerliche Unterscheidungsmerkmal wegfällt, wie soll dann noch gegen Neonazis vorgegangen werden?

Friedrichroda, dein Volk und deine Helden
Das politische Manöver der Filmbühne ähnelt dem der Stadt Friedrichroda. Oberste Maxime: Imageschaden ausschließen. Während die Filmbühne das öffentliche Bekenntnis zum rechten Gedankengut des Electro-Veranstalters erfolgreich in eine reine Privatangelegenheit umwandelt – wie sich das wohl „Neumi usw/fsn“ vor sich selbst rechtfertigt – so als überzeugter freier, sozialer und nationaler Aktivist? Das jährlich wiederkehrende politische Kunststück der Stadt verfolgt im Wesentlichen die gleichen Ziele, nur der Maßstab ist eben ein anderer. Hier gilt es nicht einen Einzelnen zu „integrieren“, sondern einen ganzen Mob von Neonazis zu übersehen. Dass es im letzten Jahr nur 2 Dutzend waren kann ein Trend sein, muss es aber nicht. Mit Sicherheit kann aber festgehalten werden dass die niedrige Teilnehmer-Zahl zum letzten Heldengedenken nicht einem „Abstrafen durch Ignorieren“ zu verdanken ist. Die inhaltliche Auseinandersetzung können sich Stadt und Filmbühne somit ersparen – Glück gehabt. Die Stadt kann letztlich nur darauf hoffen dass die Neonazis aus NPD und Kameradschaft nicht die Lösungsstrategie von „Neumi usw“ alias „Neumi fsn“ adaptieren. Wo wären denn auch die Unterschiede zwischen dem Gedenken der Stadt und dem Heldengedenken der Neonazis? Die Gemeinsamkeiten übersteigen die Unterschiede bei weitem: deutsches Volk, geläuterte Nation, Opa war zwar bei der SS – aber deswegen doch kein böser Nazi… die einen feiern die Verbrecher der NS-Diktatur, die anderen relativieren ihre Taten und versuchen zu erklären oder zu rechtfertigen.

Stay true – stay antifa
Uns geht das Image der Filmbühne oder der Stadt Friedrichroda am Arsch vorbei. Menschen mit einem rassistischen, homophoben oder sexistischem Weltbild sind eine Zumutung und eine reale Gefahr für Menschen die nicht in das Weltbild dieser Leute passen. Wenn solche Leute in der Öffentlichkeit auftreten, werden wir das (mindestens) kritisieren. Ein latenter Rassismus, die Ablehnung von homosexuellen Lebensentwürfen, sexistische Verhaltensweisen, Antisemitismus mögen zwar zum Normalzustand gehören, deswegen zu schweigen, sich anzupassen oder mitzumachen kommt für uns jedoch nicht infrage.